Montag, 12. April 2010

Weltfrieden

Als Neubürger einer Stadt macht man wahrscheinlich immer ähnliche Dinge. Zum Beispiel den Sehenswürdigkeiten und Wahrzeichen Guten-Tag-Sagen. Mache ich auch. Und vor Kurzem habe ich mir das Atomium angeschaut. Müsste ich Brüssel zeichnen, dann würde ich sicherlich mit diesem unverwechselbaren Kugel-Bau beginnen. Entstanden anlässlich der Expo 1958, der ersten Weltausstellung nach dem 2. Weltkrieg. Kein Turm, kein Palast, keine Skyline, sondern dieses kubisch-sphärische Etwas. Kennt man ja von unzähligen Bildern. Aber warum denn in Form eines Atoms? Atom! (Klar, das Atom an sich ist erst mal neutral und bezeichnet den kleinsten Baustein, in die sich Materie zerlegen lässt. Nun stamme ich aber ursprünglich aus einer Gegend, die mit einem alten Kernkraftwerk gesegnet war. Meine gesamte Kindheit bin ich nach der Lektüre von Büchern wie "Die Wolke" und "Die Kinder von Schewenborn" nachts aufgewacht, und dachte, dass das nächtliche Gewitter wohl nun tatsächlich der mir literarisch vertraute GAU in echt sei.)
Also, warum wählt man bitte schön ein Atom als Wahrzeichen? Oder zumindest als Aushängeschild für eine Weltausstellung, die vor dem Hintergrund des gerade überstandenen Krieges unter dem Motto "Bilanz der Welt - für eine menschlichere Welt" stand? Nun, ganz einfach: man dachte tatsächlich, dass man durch die friedliche Nutzung der Kernenergie die Welt für alle Menschen besser machen könnte. Dass der technischen als auch wissenschaftlichen Fortschritt automatisch in eine friedlichere Zukunft auf höherem Lebensniveau führen würde. Hmm, über 50 Jahre später und mit Blick auf die aktuellen Verhandlungen über weltweite, atomare Abrüstung, sollte man vielleicht die Geschichte und Bedeutung des Atomiums wieder bekannter machen. Dinge werden ja nicht richtiger, nur weil man sie immer und immer behauptet…



Die Besichtigung des Atomiums lohnt sich auf jeden Fall. Für alle, die die absurde und eigenwillige Architektur der Belgier mögen. Für alle, die futuristische Haushaltsgeräte à la Raumschiff Orion lustig finden. Für alle, die wie Gulliver durch ein 165 Milliarden Mal vergrößertes Eisenkristall klettern möchten. Ja, und auch für alle, die sich versichern möchten, dass das Anstoßen auf den Weltfrieden verglichen mit anderen Maßnahmen ein eher ungefährliches und sinnvolles Unterfangen ist.

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