Mittwoch, 30. März 2011

Weltrekord

So, jetzt ist es also soweit: Belgien ist Weltmeister!
290 Tage ohne Regierung - und noch ist kein Ende in Sicht. Der Irak mit 289 Tagen wird damit absehbar auf der Strecke bleiben. Es ist eine absurde politische, nicht-regierte Situation mitten in Europa.
Gegen die Teilungsabsichen setzten sich hier öffentlich vor allem die jungen Leute ein. Frittenrevolution nennen sie das. Schließlich sind die Fritten hier eine Art Nationalsymbol. Eine Sache, auf die sich alle Belgier einigen können. Fritten werden abgöttisch geliebt und nur ungern geteilt. Wenn, dann für den guten Zwek - so zum Beispiel gestern im Rahmen der Kundgebungen. Die jungen Frites-Belgier aus allen Landesteilen haben dabei eindeutig klar gemacht, dass ihnen dieser Weltrekord nicht gefällt und dass sie von den Politikern endlich eine konstruktive Lösung erwarten. Für ein gemeinsames Belgien! Für die Fritten!





Sonntag, 27. März 2011

Hunde 5

Knapp ein Jahr ist es jetzt her, dass ich nach Belgien gezogen bin. Gefällt mir nach wie vor sehr hier- auch weil ich immer wieder auf neue Alltagsabsurditäten stoße. Der März scheint in meinem persönlichen Jahresablauf der Hundemonat zu sein (obwohl man astrolgisch eher mit Fischen oder Widdern rechnen würde) ... und so habe ich heute (bei einem Ausflug nach Gent) wie schon vor einem Jahr ein Hunde-Kackverbot-Schild entdeckt:



...langsam dämmert mir, warum die Flamen wirtschaflich so viel besser da stehen als der wallonische Landesteil. Ja, manchmal liegt es extrem nahe, aus Sch... Gold zu machen.

Dienstag, 22. März 2011

Kanaldeckel

Ich bin nicht im Mindesten dafür bekannt, unter Verfolgungwahn zu leiden. Und ich kennen natürlich auch keine Personen, die von sowas besessen sind/ sein könnten/ ....naja, zumindest mal in Verdacht geraten. 
Aber der klappernde Kanaldeckel direkt vor dem Schafzimmerfenster nervte schon....
Ich hatte (sehr deutsch wahrscheinlich) meine Vermieterin beauftragt, doch mal rauszufinden, wer in der Commune (quasi: im Bezirksamt) für die Behebung solcher Unpässlichkeiten zuständig sei. Dann könne ich doch mit meinem mittlerweile passablen Französisch quasi die Erin Brockovich unserer Straße werden und für das Grundrecht auf "Ruhe vor Konstruktionsfehlern" kämpfen.
Sie (okay: Juristin - aber sehr nett) wiederum bat mich, von der Situation Fotos zu machen. Ich dachte: okay, aber: wenn schon, denn schon! Hier: Ton & Bild zu plong-plong (or how would you describe that sound?)



Stolz auf meine Zuarbeit und in Erwartung meiner Brockovich-Karriere, zog ich mich ertmal in den von der Straße abgewandten Wohnungsteil zurück (isse sonniger ;-)).
Zufällig (oder durch minutenlange Stille gerieben?) habe ich etwas später wieder Richtung Kanaldeckel geschaut .... wow! workinprocess! Da passierte was. Ziemlich belgisch zwar (oder wer sonst befestigt klappernde Gully-Deckel mit Holzabschnitten? Über die Anzahl der Arbeitszuschauer schweige ich...), aber: seitdem herrscht Stille!
Bonne nuit!




Samstag, 19. März 2011

Metro-Kunst I

Dass es sich bei Brüssel um eine Hochburg des Comic handelt ist erstens kein Geheimnis und zweitens habe ich hier ja auch schon darüber berichtet. Allerdings hatte ich vergessen zu erwähnen, dass bande dessinée oder bédé wie man es hier nennt, nicht nur in Buchläden, Ausstellungen oder auf Festivals präsent ist - nein, auch Metro-Stationen sind in dieser Stadt weniger ein Hort der Großflächen-Werbetafeln als vielmehr eine Präsentationsfäche für Comics und andere Kunstwerke.

Steht man beispielseise an der Endhaltestelle Stockel, kann man sich das Warten auf den nächsten Zug mit dem Betrachten eines 135 Meter langen Tim-und-Struppi-Abenteuers vertreiben. Da kann dann die STIB auch mal streiken oder sonstwie ausfallen - für Unterhaltung ist in der Zwischenzeit gesorgt (warscheinlich hat das dieses streikfreudige Völkchen so geplant - schließlich gibt es hier sogar ein Streik-Formular, das man im Falle des Falles seinem Arbeitgeber vorlegen kann, wenn man zu spät zur Arbeit kommt...).

Stockel ist nun sozusagen nur der Auftakt für einen kleine Reihe öffentlich-nahverkehrlicher Kunsthallen, die allemal einen Besuch wert sind. Und sich nochdazu selbst für einen verrgneten Small-Budget-Trip in diese Stadt anbieten. Manchmal braucht es nicht mehr als eine Fahkarte um kunstvoll glücklich zu sein.




Montag, 14. März 2011

Feierabend

Auf meiner Nach-Hause-Strecke komme ich hier immer an einem Supermarkt vorbei. Davor sitzt immer der gleiche Supermarkt-Bettler (wenn es dafür einen pc-Begriff geben sollte, dann tausche ich gerne aus). Nix neues, da musste ich mich nicht umgewöhnen, das war in Berlin genauso. Ich pflege da automatisch immer ein bisschen Kontakt (nicken - Geld - nicken, oder auch mal: nicken - kein Geld dabei - nicken). Heute hat der Brüssler seinen Stuhl und sein Tischchen gerade zusammen geräumt, als ich vorbeiging. Also quasi sein Büro geschlossen (er sitzt da tagtäglich wirklich wie am Schreibtisch ... und da er einen Parkplatz blockiert, zieht er auch ordentlicher Weise ein Parkticket, wenn die Polizei kommt - in belgischer Geschwindigkeit, versteht sich...). Und er hat sich heute bei mir mit einem Wink-Gruß in den Feierabend verabschiedet. Ich konnte nix mehr machen - er hatte geschlossen.

Musste echt schmunzeln und an eine Geschichte mit "meinem" Supermarkt-Bettler in meinem alten Kiez denken. Ich kam wie immer gestresst nach der Arbeit kurz vor Torschluss da an: Mit dem Fahrrad. Und dann klemmte das Schloss. Und ich musste doch noch kurz Tomaten, Oliven, Milch und Weißwein (oder ne ähnliche Kombi) kaufen. Da kam er an, der Jute, und sagte mir, ich müsse mein Fahrrad nicht abschließen. Wir kennen uns ja und er passe schon drauf auf, während ich meiner Konsumlust fröne... Als ich rauskam war ich (dummer-, doofer-, peinlicherweise) echt erleichtert, dass der Jute und vor allem das Radl noch da waren. Hab ihm eine Parkgebühr ausgehändigt und gefragt, ob er denn diesen Spezialservice immer anbiete. Er sagte " Jau, icke bin hier. Sechs Tage die Woche. Und immer bis achte. Abba Kaisers baut ja um, wa, und dann is 2 Wochen dicht hier - und dann hab ich endlich mal Urlaub!"

Die Welt ist unerecht. Aber eine optimistische Weltsicht immer großartig. In diesem Sinne: Tassen hoch  auf einen wohlverdienten Feierabend!

(Anm. d. Red.: Wenn Sie schon meinen Parkplatz nehmen, dann bitte auch meine Behinderung)

Freitag, 11. März 2011

Herzig

Ja, manchmal fasst sich der Belgier ein Herz und verarbeitet die Kartoffel nicht zu Fritten sondern zu Stoemp.
Stoemp ist eine Art Kartoffelstampf, der aber fast nie ausschließlich aus Kartoffeln besteht, sondern meist eine Mischung aus verschiedenen Gemüsesorten (und oft auch gleich dem Wurst-/Fleisch-Anteil der Mahlzeit) darstellt. Man könnte es daher auch Resteessen nennen ... oder Bubble and squeak (England), Colcannon (Irland), Rumbledethumps (Schottland), Pyttipanna (Schweden), Biksemad (Dänemark), Roupa Velha (Portugal)...

Und manchmal ist die Kartoffel ein Herz.
Und will eingentlich gar nicht verarbeitet werden.

Montag, 7. März 2011

Karneval

Wer sich je in der Karnevalszeit in der Nähe eines Rheinländers aufgehalten hat, der weiß: der MUSS singen, der MUSS schunkeln und der MUSS zum "Zoch" (wegen: Kamelle, Strüßjer, Bützje...)! Was macht man nun, wenn man derzeit in Belgien weilt und leider keine Zeit für einen Kölnausflug hat? Man fährt nach Binche!

Im etwas über 30.000 Enwohner großen Städtchen ist der Karneval  DIE Sehenswürdigkeit überhaupt. Und das erkennt man vor Ort nicht zuletzt daran, dass wirklich jeder beparkbare Quadratmillimeter zugeparkt ist. 
Das hatten wir unterschätzt - aber ansonsten waren wir eigentlich gut vorbereitet und wussten, dass der Bincher Karneval der alemannischen Fasnacht ähnelt und 2003 von der UNESCO in die Liste der „Meisterwerke des mündlichen und immateriellen Erbes der Menschheit” aufgenommen wurde. Denn der erste Umzug fand bereits 1395 statt.
So standen wir dann stundenlang in der Sonne (!) und warteten (an einer der wenigen Ecken, an der man von der Bierzufuhr abgeschnitten war) auf Masken und Schellen-Kostüme. Aber da kam nix. Oh doch, natürlich kanm da viel: Leute mit Bier-Hüten, Leute im Frittenkostüm , Leute verkleidet als Comic-Figuren... und alle hatten Spaß und überall spielte Musik... ziemlich belgisch eben... aber nicht alemannisch.

Heute habe ich entdeckt, dass wir einfach zwei Tage zu früh dran waren. Denn: "In der Stadt Binche findet am Fastnachtssonntag ("Dimanche Gras") ein Umzug statt, wo Männer als Frauen ("Binchous") verkleidet und Frauen als Männer ("Mam'zèles") verkleidet, begleitet von Violen und Trommeln, durch die Straßen tanzen. Am Fetten Dienstag ("Mardi Gras") füllen die Gilles, die symbolisch für die Erneuerung des Lebens und Fruchtbarkeit stehen, schon 7 Uhr in der Früh die Straßen. Die Maske der Gilles ist allein den Männern vorbehalten. Der Kopf des Gille wird wie bei einer Mumie mit weißen Bandagen gewickelt, dazu trägt er um den Hals eine plissierte Krause und um die Taille einen schweren Gürtel mit Schellen. Die Kostüme selber bestehen aus einem groben Leinenstoff, sind mit den belgischen Landesfarben und Wappenlöwen geschmückt und mit Strohbüscheln ausgestopft. So ausstaffiert sehen die Gilles von Vorne wie das Michelin-Männchen und von hinten wie der Glöckner von Notre-Dame aus" (Quelle : www.carnevalo.de)

.... hmm, für's nächste Mal vormerken... obwohl, da will der Rheinländer auf jeden Fall nach Kölle ;-) Egal: meinen Kostümwunsch für das nächste närrische Treiben steht seit dem gestrigen Ausflug jedenfalls fest: ich geh als Fritte (- die Wucht in Tüten ;-))!  



Mittwoch, 2. März 2011

Geschichtensalatsalatgeschichten



Kann mich noch gut daran erinnern, dass ich mich in meiner Jugend immer wieder gefragt habe, warum ein Auto in Sportcoupé-Form, das vornehmlich von coolen Cowboystiefel tragenden Discobesuchern gefahren wurde, den Namen eines Gemüses trägt.
Heute weiß ich, dass mich meine Verlese-Fehler wohl noch mein ganzes Leben lang unterhalten werden. Und, dass Scirocco und Chicorée einfach mal gar nichts miteinander zu tun haben.

Bei zweitem handelt es sich um das belgische Nationalgemüse (sieht man von der Kartoffel ab, die aber ihr Gemüseleben aber meist stäbchenförmig als Fritte beendet). Dass der Chicorée hier in Belgien entstanden ist, darüber besteht kein Zweifel. Allein über das „wie“ gibt es mindestens zwei Geschichtsversionen. 
Die erste besagt, dass der Chefgärtner des Botanischen Gartens in Brüssel, Monsieur Brèzier, 1845 im hauseigenen Keller zufällig über die dort vor sich hin dümpelnden  Zichorienwurzeln gestolpert sei. Wohl kurz nach dem Stolpern ist ihm dann aufgefallen, dass die Wurzeln in der Dunkelheit neue Triebe produziert hatten. Am Boden liegend hat er wohl ein bisschen daran rumgekaut, fand’s ganz lecker und hat den Chicorée dann über Jahre hinweg kultiviert und weitergezüchtet.
Die zweite geht so ähnlich, spielt aber bereits im Jahr 1830 (dem Jahr der belgischen Revolution und Staatsgründung). Aus Angst, man könne ihnen die Wurzeln, die zum Brennen des Kaffeeersatzes gebraucht wurden, wegnehmen, hätten die Bauern sie in der Erde versteck. Auch hier entdeckte man nach kurzer Zeit zufällig die neuen, essbaren, weißen Sprossen.

Nur nebenbei: Die Kaffeeersatzproduktion aus den Zichorienwurzeln geht übrigens- laut einem Kriegskochbuch mit dem sinnigen Titel "Haushaltungskunst im Kriege"  aus dem Jahre 1722 – auf den Hofgärtner Timme aus Thüringen zurück. Diese Gärtner scheinen ein ganz schön innovatives Völkchen zu sein. Vielleicht hatten sie ja doch auch bei der Autoentwicklung irgendwie ihre Finger mit drin ….