Sonntag, 31. Oktober 2010

Halloween

...dieses Foto ist natürlich Teil des Horrors und kein Abbild etwaiger Fotokunst...


Bis Samstag habe ich echt gedacht, dass hier im Staate der Belgier mal wieder alles anders ist und sich der belgische Groß- und Einzelhandel nicht für die mittlerweile ausschließlich dafür stattfindenden Feiertage interessiert.

In Deutschland seit Ende der Sommerferien in den Regalen sichtbar, fehlt hier auch Anfang November jedes Vorzeichen von Weihnachten in den Supermarktregalen. Kein Lebkuchen, kein Marzipan, keine Schokoladenweihnachtmänner weit und breit. Gut, könnte man meinen, vielleicht geht ja hier alles seinen gewohnt bürokratischen Gang und vor dem X-Mas-Geschäft muss erst das neuerer aber gerade bei Kindern und Süßigkeitenherstellern sehr beliebte Halloween ausgelebt werden. Doch wieder Fehlanzeige: null Fledermäuse, null Gespenster, allein das Kürbisangebot wurde ausgeweitet.
Bis ... ja bis ich am Samstag zum Brötchenholen war. Die Kassiererin afrikanischer Herkunft hatte ihr Haar mit weißem Spray bearbeitet und trug Spinnweben-Make-up. Als ich an die Reihe kam, funktionierte der Kassencomputer (mal wieder/ wie immer/ gewohnterweise) nicht. Sie schaute mich geheimnisvoll an, machte mit den Händen Spinnenbewegungen und sagte, das sei mysteriös und liegt an Halloween. Huihui....

Ich unterdrückte den Satz, dass dann hier wohl immer Halloween sei, schlenderte von dannen und weiß nun auch, warum man für dieses Fest keine Extra-Werbung braucht.

Donnerstag, 21. Oktober 2010

Blaues Wunder


Man kann hier echt oft sein blaues Wunder erleben. Quasi täglich. Und nein, ich meine jetzt nicht Regierungsauflösungen, umständliche Behördengänge oder unglaubliche Szenen im Straßen. Ausnahmsweise können die Belgier als solche in diesem Falle nichts dafür. Sie können nur daran teilhaben oder es auf die Leinwand bannen. Das hat zumindest einer der bekanntesten Söhne der Stadt, René Magritte, mannigfach gemacht.
Es geht um den Himmel
Den Himmel über Brüssel.
Diesen Himmel, der selbst an Regentagen manchmal kurz zwischen den riesig-grauen Wolken durchblickt und immer wie "der Simpsons-Himmel in echt" aussieht.
Großartig.
Auf den Magritte-Bildern mag man noch denken, es sei ein surrealistisches Element, aber wenn man hier aus dem Fenster schaut, dann ist es ein blaues Wunder!

Woher diese Redewendung stammt ist übrigens umstritten (somit passt es auch wieder zu den Belgiern). Glaubensgemeinschaft Nr.1 denkt, dass die Redensart aus der Tuchfärberei stammt (grün- oder gelbgefärbte Gewebe veränderten sich durch das Aufhängen draußen, also die Berührung mit Sauerstoff, chemisch zu blau, so dass der Betrachter "sein blaues Wunder" erlebte). Glaubensgemeinschaft Nr. 2 vertritt die Auffassung, dass die blaue Hängebrücke in Dresden (erbaut 1891-1893), deren technische Konstruktion sehr gewagt war, Ausgangspunkt für diese geflügelte Wort war.

Es ist an dieser Stelle nicht so wichtig, weil es ja hier um Geschichten geht und in diesem Sinne beide schön sind. Und außerdem lässt sich die Begrifflichkeit sogar in Französische übersetzen. Sein blaues Wunder erleben heißt "en voir de bleues" ... und da sind wie schon bei der nächsten Geschichte, denn seltsamerweise gibt's auf französisch ganz viele blaue Redewendungen: "encore un bleu" (grün hinter den Ohren sein), "en être bleu" (von den Socken sein), "bleu de colère" (rot vor Zorn sein), "voir tout en bleu" (alles in rosigem Licht sehen) ... lieber Himmel!

Donnerstag, 14. Oktober 2010

Muscles from Brussels

Mit der Überschrift bin ich gemeint. Echt. Zumindest bald. Nach zwei Wochen Fitness-Studio gibt es an meinen Oberarmen bereits die ersten muskulösen Anzeichen. Bizeps, Trizeps, Cardio sind meine neuen Freunde. Und dieses Mal muss es einfach klappen mit dem regelmäßigen Studio-Besuch. Meine Erfahrungen als passives Mitglied in einem jungen, hippen Club in Berlin liegen schon Jahre zurück. Aber die Erinnerung an das persönliche Scheitern ist so frisch wie ein Frühstücksei.
Dieses Mal habe ich - gealtert, gereift und im Besitz diversester Selbstüberlistungsstrategien - auf ein angenehmes Ambiente geachtet. Ich dachte, dass ich bestimmt öfter hingehe, wenn ich es da schön finde. Und so ist es. Das Studio meiner Wahl ist in einem typisch belgischen Stadthaus untergebracht (schmale Front, Bel-Etage und steile Treppen von einem Stockwerk zum nächsten). Wozu das gut ist? Naja, beispielsweise erspart das Treppensteigen alleine schon den Stepper und die Hantelübungen vor dem Jugendstil-Spiegel über dem offenen Kamin lassen sogar mich dabei richtig gut aussehen...
Es gibt allerdings eine Sache, die es dort nicht gibt - und die ich mir doch hier in einem belgischen Studio erwartet hätte. Nein, keine frischen Waffeln! Ich meine ein Poster vom Mr. "Muscles from Brussels" himself: von Jean-Claude Van Damme! Muss ich mir wohl selbst mitbringen. Das wird mich bestimmt zusätzlich motivieren. Aber ehrlich gesagt auch daran erinnern, dass dies der erste Blog-Eintrag ist, in dem ich bereits im ersten Satz gelogen habe... nehme also alles zurück, und bekenne, dass es mit meinen Muskelbergen vielleicht noch ein Weilchen dauern kann. Der Titel "Muscles from Brussels" gehört also weiterhin dem belgischen Arnie: Jean-Claude Van Damme. (Ich verneige mich durch Kontraktion der Bauchmuskelpartie und konzentriertem Ausatmen). Dieser soll hier übrigens gleich um die Ecke ein anderes Studio besitzen. Ob das wirklich stimmt konnte ich bisher nicht herausfinden, wohl aber, dass JCvD gerne an die Küste fährt, wenn er in seinem Heimatland Belgien weilt. Wahrscheinlich weil dort immer noch einige der Bodybuilding-Veteranen rumliegen;-)

Sonntag, 10. Oktober 2010

Zeitreise



Wenn man, wie ich, in den 70ern des letzten Jahrhunderts das Licht der Welt erblickte, dann denkt man sich manchmal beim Durchschauen der Babyfotos, dass es eigentlich ganz cool wäre, dieser Zeit mal einen kurzen Besuch abstatten zu können.

Kleine Zeitreise. Nur mal kurz Vorbeischauen. Um mit eigenen Augen zu sehen, dass die Familiencouch im braunbeigegrün-Mix, die orangefarbene Lampe und die Schlaghosen des Vaters keine etwaigen Fehlversuche im frühen Fotoshop-Stadium waren.

Einfach mal reinschnuppern in die Welt, deren Duft eine Melange aus Zigaretten, Plastik, Käse-Igel und Toast Hawaii gewesen sein muss. Letzterer wurde zwar schon 1955 vom TV-Koch Clemens Wilmenrod kreiert und in der ersten deutschen Kochsendung vorgestellt, aber die Vorstellung dass Dosenananas eine exotische Kochzutat ist, hielt sich in den bundesrepublikanischen Küchen bis weit in die 80er. Kann man alles eine Generation später nicht mehr nachvollziehen: heute beherrschen ganzheitliche Körperertüchtigungen, klassisch-schlichte Wohnformen und die Karotten-Ingwer-Suppe unser Leben. Nicht schlechter - nur anders.

Es gibt aber die Möglichkeit, das Leben meiner Baby-Jahre hautnah mitzuerleben. Zumindest, wenn man in passabler Wochenendtrip-Entfernung zur belgischen Hafenstadt Oostende lebt. Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass sich die 70er so authentisch und großflächig archivieren lassen. Oder wer isst heute noch allen Ernstes am Strand im Schatten eines Betonhochhauses gepresstes Fischeiweiß mit Mayo??

Dienstag, 5. Oktober 2010

Straßenträume


Nomen est omen? Na, wahrscheinlich nicht immer. Als ich vor kurzem an diesem Straßenschild vorbei gekommen bin, habe ich mich kurz gefragt, was wohl Leute denken, die einen Brief mit dem Absender "Champs-Élysées" erhalten - oder noch besser: eine Einladung zu einer Party in besagter Straße. Unweigerlich kommt einem dann wohl das Bild der Pariser Prachtstraße mit dem Triumphbogen in den Sinn. Man freut sich schon darauf, einen Blick in die Schaufenster der Luxusgeschäfte zu werfen, die Wahnsinnswohnung in Augenschein zu nehmen (das muss sie ja sein bei ca. 610 Euro pro Quadratmeter im Monat)und fragt sich unweigerlich, warum die Einlader (die doch immer so normal wirken) nie ein Wort über die überdimensionalen Ausmaße ihres Vermögens verloren haben.

Und dann steht man am besagten Party-Abend genau an dieser Straßenkreuzung. Denkt sich "Na, prima..." und nimmt zeitgleich wahr, dass der Supermarkt gegenüber genauso heißt. Aus der Traum vom neuen Leben in der VIP-Lounge.

Obwohl, vielleicht gibt es ja in dieser Straße genauso viele versteckte Geheimnisse wie so ziemlich überall in Brüssel. Vielleicht handelt es sich bei der Brüssler "Champs-Élysées" um einen Teil der griechischen Mythologie. "Élysées" leitet sich nämlich vom altgriechischen "Elysion" ab und bezeichnet die „Insel der Seligen“, auf die alle Helden verfrachtet werden, die von den Göttern geliebt oder sogar mit Unsterblichkeit versehen wurden. Der Sage nach handelt es sich um eine Landschaft aus paradiesischen, rosengeschmückte Wiesen, auf denen ewiger Frühling herrscht. Zu trinken gibt es einen Nektar-ähnlichen Trank, der ewiges Vergessen aller irdischer Leiden ermöglicht (null Ahnung, ob hier eine Verbindung zum belgischen Trappistenbier hergestellt werden kann). Und die Bewohner von "Élysées"/"Elysion" vertreiben sich ihre Zeit im Schatten von Weihrauchbäumen mit Reiten, Turnen, Würfel- und Lautenspiel .... wie gesagt: vielleicht alles gleich hinter dieser Mauer... Na, prima.