Samstag, 25. September 2010

Slow-Food



Zugegeben: er ist schon etwas mitgenommen, mein "semaine du goût"-Flyer, aber zu meiner Ehrenrettung kann ich behaupten, dass der Fettfleck höchstwahrscheinlich von gutem und - klaro - kalt gepresstem Olivenöl stammt.
Wie es zu Flyer & Fleck kam? Naja, eigentlich ganz einfach: wir hatten Besuch und wollten den abendlichen Restaurant-Gang zu einem Erlebnis machen. Also Laptop an und www.g... fragen. Einer der Treffer war ein Slow-Food-Restaurant 5 Gehminuten von unserer Wohnung entfernt. Nach einer 8-stündigen-Brüssel-zu-Fuß-Tour stand schnell fest: das machen wir. Keine schlechte Entscheidung. Essen & Wein waren ein Traum (der Ober auch ;-)). Und ich erinnerte mich an den Süditalienurlaub vor ein paar Jahren, in denen ich zum ersten Mal Kontakt zu Slow-Food-Restaurants hatte, aber diese Erfahrung schlicht unter "der Wahnsinn" abgespeichert hatte. Einfaches Essen und doch so gutgutgutgutgut...
Warum habe ich mich seitdem nicht mehr damit beschäftigt? Hmmm ... vielleicht, damit ich jetzt ganz aktuell darüber berichten kann. Und mir ein paar zusätzliche Informationen aneigne. Zum Beispiel, dass die Slow-Food-Bewegung in den 80ern aus Italien kam. (Wer jetzt denkt, dass das doch nix mehr mit "B" zu tun hat - weit gefehlt: diese Genuss-Bewegung ging vom italienischen Ort Bra aus, der nahe Turin am Tor zum Barolo liegt ... also immer noch: just be). Der Methanol-Skandal 1985/86 (mehrere Menschen waren an italienischem Wein, der mit Methanol verschnitten war, gestorben) und die Eröffnung des ersten MacDoofs in der Altstadt Roms hatten die traditionellen Genießer Italiens auf die Barrikaden getrieben. Sie verplichteten sich dem guten Essen und schlossen sich zusammen. Interessant an dieser Bewegung ist auch, dass sie (wie die italienischen Umweltbewegung) aus Vorfeldorganisationen der Kommunistischen Partei entstand. Menschen mit Gerechtigkeitsinteresse und mit dem (manchmal unerklärlichem) intrinsischen Interesse an Gerechtigkeit und Gleichheit kämpften auch gegen kulinarische Gleichschaltung. Carlo Petrini, Slow-Food-Gründer, Dario-Fo-Freund, politisch Linker formulierten den Dreiklang: Buono, pulito e giusto - Gut, sauber und gerecht.
Und das schmeckt man!
Als in meinem Sprachkurs voller Euphorie über die Restaurantentdeckung und das Konzept dahinter erzählte, fragte mich eine Freundin aus Osteuropa, ob Slow-Food bedeutet, dass alles noch langsamer abläuft als sonst schon hier in Belgien und ob das Zeichen mit der Schnecke ein Hinweis darauf ist, dass es dort die berühmt-berüchtigten Caricolles (Meeresschnecken in würzigen Sud) gibt, die für manche wie ein nie endender salziger Kaugummi schmecken....
Nunja, so hat eben jede Bewegung ihre Faszination und ihren Erklärungsbedarf...

Dienstag, 14. September 2010

Comic


Worüber man nicht reden kann, darüber soll man schweigen.
Oder zeichnen?
Dann wäre zumindest geklärt, warum Brüssel auch als die Hauptstadt des Comics bezeichnet wird und in keinem anderen Land Europas die Comic-Kultur so verbreitet ist wie in Belgien. Comic ist hier kein Kinder-Ding, sondern eine Kunstform ("die neunte Kunst"). Und diese hat bekannte Vertreter: Tim und Struppi (von Hergé), Spirou (von Franquin), Die Schlümpfe (von Peyo) und natürlich Lucky Luke (von Morris).

In dem Land, in dem es jede Menge politische und kulturelle Streitigkeiten über die "Hauptsprache" gibt, existiert also eine Parallelwelt, die ob ihrer symbolhaften, wortlos aussagekräftigen Kommunikationsform durch Bilder von allen flämisch-wallonisch-und-sonstwas-Auseinandersetzungen unangetastet bleibt.

In surrealistischer Weise schwebte am Wochenende beim Comicfestival am Kunstberg der Luftballon-Polizist über den Köpfen seiner Realo-Kollegen. Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, scheint in der Comic-Welt alles in bester Ordnung zu sein.

Mit dieser Feststellung hätte ich diesen Beitrag auch gerne abgeschlossen. Allerdings muss ich nach der aus meiner Sicht sehr zweifelhaften Auszeichnung des dänischen Karikaturisten Westergaard im Namen der Pressefreiheit ein großes Fragezeichen dahinter setzen. Auch in der "Zeichen-Sprache" kann es keine Freiheit um jeden Preis geben. Wo Bilder unklar werden, wo sie weiter reichen als sie dürfen, wo sie bewusst überzeichnen und über ihren Rahmen hinausgehen, da muss doch wieder miteinander gesprochen werden. In der richtigen Welt.

Dienstag, 7. September 2010

Italienische Wochen



Okay, das Wort "Wochen" in der Überschrift ist vielleicht etwas übertrieben, aber zum Zwecke des Spannungsbogenaufbaus erlaubt. Gespannt genug? Gut, dann kann ich ja in gemäßigtem, der Wahrheit verpflichteten Tempo fortfahren. Also: es handelt sich nicht um Wochen, sondern eher um die letzten 33 Stunden meines Lebens. Da habe ich zunächst gestern in einem toskanischen Restaurant hier in Brüssel unweit des Europaviertels ziemlich grandiose Ravioli zu Mittag gegessen. Da einem Nudeln ja zu Lauf-Höchstleistungen treiben können (ich glaube allerdings, dass man dann dafür die Salbeibutter weglassen muss - egal), bin ich anschließend mit dem besten aller Ex-Mitbewohner meine Brüssel-Stationen aus den ersten Monaten hier abgelaufen (ohja, diese Stadt ist wesentlich hügliger als man denkt), wozu auch eine italienische Buchhandlung gehört, die ganz hinten auch Snacks und Getränke verkauft und nach 18 Uhr zur Weinbar mit Häppchen umfunktioniert wird. Alla grande! Und wie wir da so mit dem Wässerchen vor der Buchhandlung saßen (weil wir doch Wein schon zu den Nudeln hatten), kam mein ehemaliger italienischer Nachbar (aus dem Hochhaus mit dem Pannen-Lift) vorbeigeschlendert. So klein ist Brüssel. Und so italienisch. Signore S. habe ich gleich heute wiedergetroffen (er kennt das Pastarestaurant auch und bekam bei Erwähnung des gestrigen Mittagessens leuchtende Augen und ich konnte seinen Magen knurren hören) und jetzt bin ich im Besitz zweier Adressen: eine vom besten Prosecco-Ladens außerhalb Norditaliens und eine von dem Laden, in dem man die besten Rotweine Süditaliens erstehen kann. Angeblich.
... ja, und so können aus den italienischen Stunden vielleicht doch noch Wochen werden. Buono, bravo, bello, bene! Just B.

(kleine Anmerkung zum Bild: nein, ich habe mich nicht vom Vegetarismus verabschiedet - es handelt sich bei der Schinkenscheibe um den Flyer des Buchladens;-))

Freitag, 3. September 2010

Rentrée



Ferien war gestern, jetzt herrscht hier allerorts "Rentrée". Wörtlich übersetzt heißt es Rückkehr (aus dem Sommerurlaub) oder Wiederauftreten (des alltäglichen Einerleis ;-)). Und jahreszeitlich wird damit hier in Belgien (und auch in Frankreich) die Phase zwischen Ende August und Oktober bezeichnet. Während für acht Wochen das öffentliche Leben brach lag (und die Belgier an sämtlichen Stränden Europas), pulsiert jetzt wieder Leben durch die Blutbahnen der Stadt. Und das "Rentrée"-Angebot hat wirklich für jeden was zu bieten. La rentrée scolaire bezeichnet den Schulanfang, la rentrée political die Wiederaufnahme der politischen Geschäfte und Hahnenkämpfe und la rentrée social nicht etwa die Wiedereröffnung der Restaurants sondern die Fortsetzung der Tarifverhandlungen.
Viele hier wünschen sich sicherlich auch ein rentrée de football, genauer gesagt eines der "roten Teufel", wie die belgische Nationalmannschaft genannt wird. Seit acht Jahren schon haben sie nicht mehr erreicht als die Teilnahme bei der WM 2002. Weltranglistentechnisch liegen sie damit hinter Staaten wie Gabun und Burkina Faso auf Platz 48, also irgendwo im Niemandsland. Ja, aber wenn man aus Deutschland kommt, ist es natürlich wirklich etwas schwierig, sich heute Abend beim Daumendrücken für eine Seite zu entscheiden. Gerne würde ich das bel-Team unterstützen, aber andererseits kann ich ja Jogis Jungs nicht hängen lassen. Ich handhabe es dann in dieser Frage einfach mal wie Queen Liz und sage gar nichts und lasse im Zweifelsfall alles von meinem Palastsprecher dementieren.