Montag, 28. Februar 2011

Brotautomat


... und das tägliche Brot gib uns heute - auch nach Feierabend!
In Belgien kein Problem, denn hier gibt es den Brotautomaten. Nein, keine Brot-back-automaten. Brot-kauf-automaten. Vor der Bäckerei. Bestückt mit deren Brot außerhalb der Öffnungszeiten.
Der Zugang zu hochwertigen Lebensmitteln wird hier in der Rubrik "Grundrechte" geführt. Bei Missachtung sehen wir uns in Straßburg wieder, scheint der Belgier zu denken, denn dort kümmert sich der Europäische Gerichtshof um die Einhaltung der Menschenrechte.
Wobei wir schon fast wieder bei der Politik wären ... sind. Bei der belgischen. Beim Regieren ohne Regierung. Ich wollte mich heute von einer klugen Frau, die schon viele Jahre in Brüssel lebt, über die Gefechtslage in der Auseinandersetzung zwischen Flamen und Wallonen aufklären lassen. Gibt es eine Zukunft für Belgien - oder schlagen die sich bald restlos die Köpfe ein? Ach, meinte sie, bevor die aufeinander los gehen, gehen die erstmal essen. Und nach dem Wein zum guten Essen vergessen sie auch schon wieder, dass sie sich eigentlich streiten wollten. 
Das Regierungsproblem ist also somit nur eines der Politiker. Der Belgier als solcher hat andere. Zum Beispiel, wo er nach Ladenschluss noch ein frisches Brot herbekommt.

Freitag, 18. Februar 2011

Winterwaffelgedanken

Nach zwei Tagen frühlingshaft-sonnigen Wetters (im Gegensatz zu sommerhaft-sonnig hängt da noch der Nebel in dem Straßen und diffundiert das Licht, damit es tausendfach glänzen kann auf der angefeuchteten Haut - sehr erfrischend!), kam heute der Winter zurück nach Bruxelles. Gegen Kälte hilft es ja bekanntlich, sich warme Gedanken zu machen. Nix Anzügliches, lieber was Flauschiges. Sowas aus Kindertagen. So 'nen Samstagabend, an dem man gerade dem Schaumbad im 34 Grad warmen Badezimmer entstiegen, den vorgewärmten Schlafanzug angezogen mit der heißen Schokomilch in Händen auf dem Sofa Schwarzwaldklinik schaut. Ein Gefühl wie ...wie Kindheit eben. Aber bis man all diese Erinnerungen ausgekramt hat, ist man vielleicht fast schon erfroren.

Im Gegensatz zu vielen anderen Dingen des Lebens ist diese Herbeizaubern einer Kindheits-Wohlfühl-Situation in Belgien eine schnelle Sache: Einfach an den gelben Mini-Bus denken - den Waffelwagen.  Dann stellt sich das Wohlbehütetsein von ganz alleine ein. Denn dieses gelbe Gefährt ist in Belgien wirklich Bestandteil einer jeden Kindheit - parkt er doch den ganzen Winter über direkt vor dem Schulausgang. Während deutsche Ernährungsfanatiker schon scharenweise zu Stuttgart21-ähnlichen Protesten vor der Schule campieren würden, sieht es der Belgier wohl eher als eine Art Vorbereitung aufs Leben und dessen alltäglichen Herausforderungen, z.B. kalte Wintertage. Eine Freundin erzählte mir heute, dass sich ihre Kinder ein Leben in einem Land ohne Waffelwagen einfach nicht vorstellen können ... die geborenen Überlebenskünstler.


Deshalb hier eines der Lieblingswinterbilder:

Dienstag, 15. Februar 2011

Belgistan

Bei der ganzen Berichterstattung über die politischen Umbrüche und Regierungsabsetzungen in Nordafrika gerät derzeit leicht in Vergessenheit, dass es in einem kleinen mitteleuropäischen Land seit Monaten um die EINsetzung einer Regierung geht. Seit 247 Tagen ist Belgistan ohne Staatsregierung. Mehr hat vorher nur der Irak geschafft und ist derzeit mit 289 Tagen noch Weltranglistenerster in dieser Disziplin.
Während sich anderswo die Massen auf zentralen Plätzen versammeln, um die Regierungen aus den bequemen, fast festgewachsenen Regierungssesseln zu heben, protestierten in der Brüssler Innenstadt vor 3 Wochen mehr als 30 000 Menschen dafür, dass sich mal wieder einer - oder besser einen ausgewogene Mischung aus allen Landesteilen - in diesen Amtssitzen niederlässt. Aber nix ist passiert seit dem. Manche sagen: typisch belgisch. Stimmt - aber ebenso typisch ist es hier, sich kreative Lösungen auszudenken. Surrealistische Tradition quasi. Während ich dieses Verfahren bei Elektroreparaturen aller Art mit einem gewissen Argwohn betrachte, finde ich derzeit sehr unterhaltsam, mit welchen Mitteln der Belgier seine Politiker ihrer ureigenen Bestimmung zuführen will:
Da gibt es Leute, die lassen sich einen Bart wachsen, bis es wieder einen Regierung gibt. Das ist sozusagen belgischer Hungerstreik, denn auf Fritten, Pralinen und Filet americain kann hier auch um des Regierungsfriedens Willen keiner verzichten.
Andere fordern wiederum einen Verzicht ganz anderer Art: eine flämischen Senatorin rief alle Belgierinnen - aber insbesonders die Partnerinnen von hochrangigen belgischen Politikern - auf, so lange auf Sex zu verzichten, bis eine Regierung geformt ist.
Hmm, ich denke ja, dass sich irgendwann eine Regierung dem König zuliebe bildet. Nicht aus royalen sondern aus Fairness-Gründen. Der Arme darf nicht wie seine KollegInnen im europäischen Ausland repräsentativ vom Balkon winken, sondern muss ständig Verhandlungspartner an einen Tisch bringen. Das ist eigentlich mit dem Selbstverständnis der Feierabend und Wochenend liebenden und genussfreudigen Belgier auf Dauer nicht vereinbar. Wahrscheinlich sucht man nur noch nach der surrealistischsten aller Lösungen. Bin ja mal gespannt, wie die aussieht.