Freitag, 27. August 2010

Storyteller



Manchmal sind Dinge beim bloßen Draufschauen tierisch langweilig. Oder nichtssagend. Oder irreführend. Zum Beispiel Satellitenfotos vom Mars. Oder königliche Gewächshäuser voller Geranien. Oder abgedeckte Tische auf einer Café-Terrasse.
Deshalb haben kluge Menschen (oder überirdische Kräfte) vor langerlanger Zeit das Geschichten erzählen erfunden. Heute wird es hauptsächlich dazu benutzt, Waren an den Mann und Schönheitsprodukte an die Frau zu bringen, Wahlen zu gewinnen oder sich selbst im Freundes-/naja, fast, eher Zuhörer-/kreis eine gewisse Stellung zu sichern.
Dabei ist "Geschichten erzählen" (Storytelling) mittlerweile eine "anerkannte Methode, mit der explizites, aber vor allem implizites Wissen in Form einer Metapher weitergegeben wird. Die Zuhörer werden dabei (auf irgendeine Art und Weise, Anm. d. Bloggerin) eingebunden und können so den Gehalt der Geschichte leichter verstehen und eigenständig mitdenken. Das soll bewirken, dass das zu vermittelnde Wissen besser verstanden und angenommen wird. Heute wird Storytelling neben der Unterhaltung durch Erzähler unter anderem auch in der Bildung, im Wissensmanagement und als Methode zur Problemlösung eingesetzt."
HA! Ich wusste doch irgendwie immer, dass es gar nicht sooo unnütz ist, sämtliches Halbwissen abzuspeichern und dann auf den Brüssel-Stadtrundgängen mit diversen Besuchern in Szene zu setzen. Auf den Foto oben ist beispielsweise die regengeschützte Außenbestuhlung der Café-Bar zu erkennen, die sich am Fuße des beeindruckenden Kunstberg Brüssels befindet. Die Deko dieser Bar besteht aus einer riesigen Alu-vergoldeten-knittrigen-Riesenplastik des belgischen Künstlers Arne Quinze - na, klingelt's? Nö? Also tat es bei meinen Stadtführungsopfern auch nicht (aber die waren ja auch aus Amerika). Zumindest erstmal, denn dann habe ich ergänzt, dass es sich bei diesem Künstler um den zweiten Ehemann von Boris Beckers Ex-Frau handelt. Na - jetzt? Dämmert's? Meinen Rundgeführten schon. Aus Dankbarkeit für all diese (unnötigen?) Infos haben sie mich auf einen Rotwein auf eben dieser Terrasse (mit einem sehr schönen Blick über Brüssel) eingeladen. Kaum hatten wir uns gesetzt und bestellt, fing es an zu regnen und um uns herum wurde abgebaut und abgedeckt ... I could tell you another story...

Samstag, 21. August 2010

Ice Bag

Der Sommer ist zurück. So richtig. Und mit ihm sommerliche Alltagsgegenstände aus der Rubrik "kauf es und es wird dir mehr nützen als schaden". Dinge also, die die Welt nicht braucht, aber der einzelne Erdenbürger schon. Z.B. der/die/das Ice Bag, womit der Besitzer einen Teil seiner Markteinkäufe tätigen kann.
Dabei kann und soll nicht unerwähnt bleiben, dass Brüssel aufgrund seiner Aufteilung in 19 Gemeinden über ein sehr reichhaltiges Angebot an Märkten verfügt. Man kann quasi jeden Tag in einem anderen Viertel auf Obst-, Gemüse-,Käse-, Wurst- und Wasweißichnochwas-Jagd gehen. Auf den meisten wird aber nicht nur geshoppt sondern auch gegessen und getrunken. Und der Belgier wäre kein Belgier, wenn er auf der Straße mit seinem Hang zur gehobenen Küche und teuren Lebensmitteln brechen würde. Deshalb werden an kleine Plastikstehtischen Austern, Schneckensuppe und auch das ein der andere Glas Champagner konsumiert - gesellschaftsschichtenübergreifend.
Wer einen Plastiktisch etwas entfernt der Bar ergattert hat und sich mit einem Glas des Schaumweins nicht zufrieden geben will - für den hat die Konsumgüterindustrie folgendes Teil gefertigt. Und wo Ice drauf steht ist auch Eis drin (das bekommt man dann beim Kauf dazu). Momentan gibt es diese Dinger hier für 7 Euro im Sommerschlussverkauf im Supermarkt... cool ;-)

Donnerstag, 19. August 2010

Gartenterror



Heute scheint die Sonne.
Nach zwei Tagen regnerischen Brüssel-Wetter im August sollte diese schlichte Feststellung genügen, mich in einen Taumel der Glückseligkeit zu versetzen. Ideale Wohlfühlbedingung: Sonnenschein, etwa 25 Grad, ein laues-fast-erfrischendes Lüftchen, das dann und wann vobei weht.
Aber? Was mach ich?
Ich wünsche mir den Regen zurück. Wünsche mir, dass ich guten Gewissens NICHT auf dem Balkon sitzen kann/muss. Wüsche mir von grauen Häuserfassaden umgeben zu sein und nicht von üppigen Gärten. Wünsche mir, dass die Leute um mich herum faul und desinteressiert sind. Und ich wünsche mir, dass ich endlich wieder das Hintergrundgeräusch Autolärm wahrnehmen kann (das ist doch sonst immer und überall in Belgistan möglich!).

(... nein, ich habe heute noch keine Drogen zu mir genommen - falls diese Frage bei der geneigten Leserschaft aufgetauchtsein sollte...)

To make a long story short (jaja, ich weiß, das mir das nie gelingt): Es geht um die Gartenarbeit (nicht um meine - isch 'abe nämlich gar keinen grünen Daumen - ergo keine Pflanzen). Die findet hier seit Stunden unter Einsatz aller technischen Geräte, die der Baumarkt dafür im Angebot hat statt. Es ist eine Geräuschkulisse, die mich in Anlehnung an die Abstammung des Wortes Lärm in höchste Alarmbereitschaft versetzt ("Lärm" stammt von italalienischen "all'arme", also: „zu den Waffen!“ ab und hat somit eine eindeutige Wortsverwandtschaft mit „Alarm“).

Warum ist den Gartenarbeit eigentlich nur bei schönem Wetter möglich? Können denn die Hecken und Wiesen nicht auch an Regentagen zurechtgestutzt werden? Davon gibt es doch viele hier...und dann sind alle Fenster zu ... und dann... ach, schööööön, das fleißige Gärtnerlein hat die Kettensäge gegen den Gartenschlauch eingetauscht.
Und ich kann endlich wieder dem Klang der Polizeisirene lauschen ;-)

Sonntag, 15. August 2010

Moules frites



Da es heute schon den ganzen Tag entweder regnet oder zumindest der Himmel durch regenschwangeren Wolken verhangen ist, habe ich schon fast vergessen, was für ein schöner, lauer Sommerurlaubsabend es gestern war. Und da diese mit dem ausklingenden Sommer immer spärlicher werden, muss man einen solchen natürlich entsprechend genießen.

Haben wir gemacht und sind mit unserem Brüsselgast zum Muschelessen gegangen. "La nouvelle saison des moules de Zélande" hat schließlich schon begonnen, und wo, wenn nicht in Brüssel, hat man so viele Möglichkeiten unterschiedlichste Muscheln-und-Fritten-Kombinationen zu testen. Ob ganz klassisch mit Weißwein, mit viel Gemüse à la provencal, anti-vampirisch mit Unmengen an Knoblauch oder exotisch-scharf durch Pili-Pili, jeder (der Muscheln mag, na klar) wird hier seine Geschmacksrichtung finden. Moules frites (Muscheln mit Fritten) ist ein Klassiker der belgischen Küche. Und wer einmal vor einem dampfenden Topf saß und sich Muschel für Muschel zum köstlichen Sud vorgearbeitet hat, der wird verstehen, dass ich gerade eine kleine Schreibpause machen muss, um etwas zu essen, weil mir beim Gedanken daran das Wasser im Munde zusammenläuft.

Okay, vorher noch was Wissenswertes: die Muscheln, die hier in Brüssel und in weiten Teilen Belgiens verzehrt werden, kommen nicht von der belgischen Küste, sondern werden aus der niederländischen Region Zeeland importiert. Das scheint den Belgier aber in keinster Weise zu stöhren: zwei Drittel der gesamten Muschelernte aus der Osterschelde in Zeeland (50 Millionen Kilo) werden hier pro Jahr verzehrt - damit dürfe schon klar sein, wer die europäische Rangliste in dieser Disziplin anführt. Und wir haben gestern unseren Teil dazu beigetragen - unser neuer Sommersport...

Sonntag, 8. August 2010

Ferienküche


Normalerweise beruhigt man sich hier in Brüssel gegenseitig mit der Überzeugung, dass die Stadt zwar ziemlich viele Gefahren beherbergt, der Hungertod jedoch garantiert ausgeschlossen ist. Waffeln, Fritten, Pralinen, Märkte allerorts und Restaurants so weit das Auge reicht. Es soll Leute geben, die ihre Wohndauer in dieser Stadt nicht in Monaten oder Jahren angeben, sondern in Kilos.
Momentan sehe ich allerdings bei meinen Streifzügen durch die Stadt (diese finden vermehrt in Begleitung von Gästen aus der Heimat statt - schöööön) bedenklich viele Schilder an Restaurants und Geschäften, die einem im ersten Moment eine schöne Ferienzeit wünschen. Hält man allerdings einen Moment inne und realisiert, dass man ja nicht zu den Sommerstadtflüchtlingen gehört, sondern sich aufgrund des Neu-hier-seins für Ferien in der Stadt entschieden hat, dann überkommt einem auf ein Mal ein beklemmendes Gefühl in der Magengegend (wo sonst?), dass dies vielleicht Vorzeichen einer Nahrungsmittelknappheit in der kulinarischen Hauptstadt Europas sein könnten.
Vielleicht wird das "Leben und leben lassen" bald zum "Leben lassen" weil die Grundversorgung mit Gebäck, Frittiertem und der Plat du jour aus aller Herren Länder nicht mehr garantiert werden kann.
Dass Freunde in der Not unbezahlbar sind, ist bekannt. Aber dass diese Freunde in unserem Falle auch noch über ein ungeahntes, unglaubliches Kochtalent verfügen, und wir heute den zweiten Abend mit original-indischem Essen (ja, die Reste wurden uns vorsorglich in Plastikdosen mitgegeben)verbringen können, ist eine Urlaubsüberraschung. JA, so können die kulinarischen Ferien in Brüssel weitergehen. Bonnes vacances!