Sonntag, 30. Oktober 2011

Indian Summer belgisch

Freunde müssen ja eigentlich nicht viel machen. Freunde müssen einfach nur da sein. Freunde zu Gast zu haben ist per se schon ein Vergnügen (...okay, es gilt nach wie vor die alte Regel: mit Besuch ist es wie mit Fisch: nach drei Tagen fängt er an zu stinken - aber die ist anscheinend überall bekannt). Aber wenn die Freunde dann zum Besuch noch gutes Wetter mitbringen, dann freut manfrau sich natürlich noch mehr über den Gast.
...habe ich gutes Wetter gesagt? ich meinte natürlich wahnsinnigschönphantastischsonnigeblauhimmeliges und irgendwie so "Indian-Summer-in-belgisch" Wetter ... hmm, falls jetzt jemand weiß was ich meine.... ich mein so rotoragebuntblättrig... also, so:

 

und so:

   
Und ich finde Frühstück (mit Rührei und Ketchup - sorry - aber ein MUSS am Sonntag) auf dem Balkon Ende Oktober einen unglaublichen Luxus und weiß dann für einen (SEHR kurzen) Moment auch gar nicht mehr, ob ich die Klimaerwärmung eher gut oder eher scheiße finden soll....



Nunja. Wie gesagt ein wundervolles Herbstwochenende hier in Bruxelles! Wahrscheinlich auch wirklich wegen der sagenhaften farblichen Eindrücke: die neugekauften Herbstbekleidungsstücke erfreuen das Shoppingtrio, das Glas Rosé - auf dem Wochenendmarkt eingenommen - verlängert den Sommer und selbst zum Abschluss des Wochenendes säumen vierfarbige Säulen vor dem Bahnhof den Weg (des Gastes) nach Hause ...

Was sollen die eigentlich da? Hmmm, lieber nicht fragen (noch so ne alte Regel: keine W-Fragen!!!), denn sie entsprangen wohl der (hochbezahlten) Idee einer Werbe-/Image-Agentur. Demnach sollen diese vierfarbigen Säulen jeden Besucher der europäischen Capitale darauf hinweisen, dass er sich jetzt an einem Bahnhof befindet. Wäre wohl gut, wenn die Besucher das auch wüssten ... aber dafür wurde die Agentur wahrscheinlich nicht bezahlt....
Farblich passt es garade trotzdem - deshalb: könnte schlimmer sein, könnte regnen ;-)

Freitag, 21. Oktober 2011

Wege-Wörter

Okay.. da muss ich ja echt mal schmunzeln...bin in Deutschland unterwegs und werde in einem ziemlich schicken Stadtteil darauf hingewiesen, dass es jetzt gleich nicht mehr so einfach werden könnte einen Fuß vor den anderen zu setzen … weil dann vielleicht nicht mehr Stein an Stein au Waterkant-Niveau liegen … hmmm … ich lebe ja in Bruxelles (hinlänglich bekannt) und finde:
1.      die Deutschen (in diesem Falle sogar die coolen HHler) übertreiben!
2.      warum hat eigentlich noch nie jemand daran gedacht, dieses Schild an den Brüsseler Stadtgrenzen anzubringen???
3.      man sollte sich nie über das Erlernen einer anderen Sprache beschweren, solange man nicht alle Straßenschilder der eigenen gelesen hat … uneben… quoi?

Mittwoch, 12. Oktober 2011

Badisches herbsten

"Über Baden lacht die Sonne - über Schwaben die ganze Welt".
Diesen Satz lernt man im Badischen etwa zeitgleich mit den 10 Geboten. Muss also irgendwann in der Grundschule gewesen sein. Ein Mantra, das prägt, das Programm ist. Und deshalb verbringt man sämtliche Sommerschulferien-Sommer mit der Dauerkarte sonnenbadend im Freibad und ergötzt sich an der unverhangenen Sonnenfinsternis 2000 während Stuttgart im Regen steht und denkt sich beim Joggen durch die Weinberge: "Zum Glück bleibt mir di'Kehrwoch erschbaard" -)
Er ist ein Traum in Baden: der sommerliche Herbst. Auf wetter.de war zu sehen: grauenWolken mit Regentropfen. In Brüssel sitzend und einen Heimaturlaub planend/packend dachte ich: "Scheiße." Aber zurück in der Heimat verwandelte sich das in ein "Jipiiiiehhhh - ich hab's doch gewusst!" ... Sonne, leckere Herbstäpfel, Waldspaziergänge, ... daheim ist, wo man hingehört...


Herbsten bedeutet ja in dieser Gegend auch, dass die reifen Weintrauben geerntet und danach - klar!- in Wein verwandelt werden... Und genau an dieser Stelle möchte ich einen Lanze für die gegnerische Landsmannschaft brechen: Großartigst!!! Ich habe selten einen besseren Weißwein zu sonnigen Herbsttagen getrunken als diesen (siehe Bild - ein Weißer von roten Trauben).
Okay, ich revidiere: die Welt (respektive ich) lacht nicht über euch, sondern strahlt euch in diesem Falle gnadenlos begeistert an :-)

Montag, 3. Oktober 2011

Sonntagmorgens


Bei uns gehe sonntagmorgens immer ich Brötchen und Croissants holen. Immer.

Und mittlerweile ist es nicht mehr mein fast manisches Verlangen nach morgendlicher Frischluft und einem kleinen Spaziergang durch menschenleere Straßen, das mich vor die Türe treibt. Nein, es ist Madame Pistolet, die auf mich eine magische Anziehungskraft ausübt.

Ich kann mich noch gut erinnern als ich zum ersten Mal ihre traumschöne Bäckerei betrat. Der Laden sieht aus, wie man das aus Filmen kennt, die im gutbürgerlichen Teil von Paris spielen. Alte, riesige Fenster aus geschliffenem Glas, eine Türe, die beim Öffnen zarte Klingeltöne erzeugt, Pralinen und Gebäckstücke in der Auslage, die wie Kunstwerke aussehen und ebenso angeordnet sind.

Madam Pistolet selbst ist viel zu groß für eine Französin, hat aber sehr feine Hände, ein edles Gesicht. Dazu einen Dutt und eine Brille, durch die jeden Käufer einen strenger, fast spöttischer Blick trifft. Ich hatte beim ersten Mal zwei "petit pain" (Brötchen) bestellt. Ein Blick mit hochgezogenen Augenbrauen statt einer Antwort war die Reaktion. Vielleicht hatte ich ja genuschelt, deshalb wiederholte ich sicherheitshalber meine Bitte und packte all mein Wissen über die korrekte französische Aussprache in diesen Satz. Aber die vornehme Bäckerin senkte kurz seufzend den Kopf zu Boden, sah mich dann autoritätseinflößend an und sagte sehr akzentuiert: "Vous voudriez DEUX PI-STO-LET"(sprich pistole). Gedanklich war ich kurz davor ihr zu entgegnen, dass ich Pazifistin durch und durch bin und wirklich überhaupt keinen Bedarf an Schusswaffen habe .... aber in Wirklichkeit nickte ich schuldbewusst und war auch ein bisschen erleichtert, als sie tatsächlich zwei Brötchen in die Papiertüte beförderte. Die Croissant-Bestellung lief dann ebenfalls eher problematisch ab. Sie sagte, sie habe keine mehr, aber etwas anderes, das so ähnlich sei, ob ich das wolle. Ehrlich gesagt, hätte ich in diesem Moment auch zwei Sack Kartoffeln gekauft...

Mittlerweile weiß ich, dass jeder Kunde bei ihr die harte Schule des "Ich geb hier die Regeln vor" durchlaufen muss. So beuge ich mich in hungriger Ergebenheit dem Kommando der Madame, bestelle Pistolen statt Brötchen, beschreiben das gewünschte Baguette bis ins kleinste Detail, eile, um auf ihren Wunsch die Türe zu schließen ... und fühle mich danach seltsam erheitert, gestärkt und geadelt :-) ... sonntagmorgens in Brüssel ...

Sonntag, 2. Oktober 2011

Samstagabends

"Weiße Nächte" sind  ja bekanntlich Nächte, die hell bleiben, weil die Sonne nur für ganz kurze Zeit untergeht. Sie kommen an allen Orten vor, die etwa zwischen 57° nördlicher oder südlicher Breite und dem Nordpol bzw. Südpol liegen.
Brüssel  liegt auf 50°  Nord. 
Aber trotzdem gab es hier von Samstag auf Sonntag eine "Nuit blanche". 
Dabei handelte es sich dann aber um ein Kunstfestival, das Ende der 80er in Paris ins Leben gerufen wurde und heute in über 120 Städten (darunter Brüssel, Paris, Rom, Madrid, Riga, Bukarest, Valletta...) gefeiert wird. 
Konzerte, Performances, Installationen, Menschengewirre, Getränkestände, gefühlte 25 Grad ... eben alles was es braucht, um die Nacht zum Tag zu machen.